Bürgerinitiative Naturerhalt Altdorfer Osten: Informationen

Flyer der BI "Naturerhalt Altdorfer Osten"

Plakat der BI "Naturerhalt Altdorfer Osten"

Einkaufsmöglichkeiten im Altdorfer Osten

Fakten

Verfasst von Thomas Pircher (8. März 2023)

“[…] wir [haben] den ländlichen Raum erst so abhängig gestaltet (…), weil wir ihn auf Automobilität ausgerichtet, Alternativen vernichtet und Nahversorgung von gesunden Zentren auf die grüne Wiese verlagert haben.”

Eine wichtige Begründung für das neu geplante Gewerbegebiets an der Neumarkter Straße ist die Einrichtung eines Versorgungszentrums. Dieses Konzept wurde in der Bürgerversammlung am 12. Dezember 2022 von Herrn Tabor und Herrn Dotzer vorgestellt.

Durchaus richtig und wichtig ist: Der Altdorfer Osten hat zu wenig fußläufig erreichbare Einkaufsmöglichkeiten. Dies hat die Studie zur Einzelhandelsstudie bereits 2012 festgestellt und kommuniziert. Als Ansatz zur Verbesserung der Situation wurde ein Versorgungsmöglichkeit in der Riedener Straße empfohlen, was letztlich umgesetzt wurde.

„Während die Bewohner der Altstadt den periodischen Bedarf durch das Angebot LIDL und NORMA ausreichend fußläufig decken können, gibt es … insbesondere im Osten der Kernstadt größere fußläufige Versorgungsdefizite.“ Einzelhandelskonzept der Stadt Altdorf aus dem Jahr 2012

Diese Erkenntnis der Studie wird in der Berichterstattung und in Leserbriefen bestätigt. Bei persönlichen Gesprächen betonen vor allem ältere Menschen, dass eine nähere Einkaufsmöglichkeit im Altdorfer Osten wichtig wäre, um die Lebensqualität zu verbessern. Daher sollte die Schaffung einer fußläufigen Einkaufsmöglichkeit, z.B. im Oberpfalzviertel, ein wichtiges soziales Anliegen sein.

Realität vs. Wunsch

Doch ist das Gewerbegebiet an der Neumarkter Straße geeignet, die Versorgungslage im Altdorfer Osten zu verbessern?

BI Altdorf

Karte von Altdorf basierend auf openstreedmaps.
In der Karte sind die fußläufigen (400 m) Einzugsgebiet der Altdorfer Einkaufsmöglichkeiten eingezeichnet, sowie die Equidistanzlinie (strich-punkt), welche angibt wo die bisherigen (bunt) und das geplante Einzelhandelsareale (gepunktet) gleich weit entfernt sind. Für einen repräsentativen Punkt im Bereich, welcher näher am geplanten Gewerbegebiet liegt, wurde die Distanz zum geplanten Versorgungszentrum (schwarz gestrichelt) und zur aktuell nächstgelegenen Einkaufsmöglichkeit (grün gestrichelt) eingezeichnet.

Eigene Darstellung basierend auf den Daten vom Einzelhandels Konzept der Stadt Altdorf von 2012.

Die Auswertung ergibt, dass das Gewerbegebiet zu weit außerhalb von Altdorf gelegen ist, als dass viele Haushalte dadurch keine fußläufige Einkaufsmöglichkeit bekommen würden. Im Einzelhandelskonzept wird die Fußläufigkeit anhand einem 400 m Umkreis um eine Einkaufsmöglichkeit definiert. Entsprechend der Darstellung im Einzelhandelskonzept wurde die abgebildete Grafik zusätzlich um aktuell existierende Einkaufsmöglichkeiten erweitert. Legt man um den geplant nähesten Punkt des Versorgungszentrums einen 400 m Umkreis, so liegen in diesem Areal nur ein Teil der Berchinger Straße (zwischen Neumarkter und Schwandorfer Straße), sowie vereinzelt Grundstücke weiter in Richtung Westen. Jedoch besitzt keines der Grundstücke einen direkten Weg zum Gewerbegebiet.

Davon ausgehend, dass der Einkauf immer bei der - nach Luftlinie - am nähesten gelegenen Einkaufsmöglichkeit durchgeführt wird, so ergibt sich die eingezeichnete Euqidistanzline (Strich-Punkt). An dieser Linie ist die Entfernung zum geplanten Versorgungszentrum und zur nähesten bereits existierenden Einkaufsmöglichkeit gleich weit entfernt. Demnach wären bereits die östlichen Teile des Oberpfalzviertels um die Bayernstraße bereits näher an den bestehenden Einkaufsmöglichkeiten als am geplanten Versorgungszentrum. Sie würden also durch ein neues Versorgungszentrum keinen kürzeren Einkaufsweg gewinnen. Es betrifft als nur einen geringen Teil des Altdorfer Ostens.

Welcher wegtechnische Vorteil ergibt sich nun im Oberpfalzviertel durch das geplante Versorgungszentrum?
Um dies zu ermitteln wurde ein repräsentativer Punkt im Oberpfalzviertel (Ecke Regensburger u. Parsberger Straße) ausgesucht und der tatsächliche Weg zum geplanten Versorgungszentrum und zur nähesten bestehenden Einkaufmöglichkeit ermittelt. Für diesen repräsentativen Punkt ergibt sich eine Distanz von 800 m zum Gewerbegebiet an der Neumarkter Straße und 830 m zum Kreisverkehr am Altdorfer Krankenhaus. Somit ergibt sich ein Wegvorteil von 30 m (Alternativ wäre eine weitere Einkaufsmöglichkeit in der Türkeistraße in 1,2 km Entfernung). Da der jeweils kürzeste Weg zu beiden Einkaufsmöglichkeiten über die Neumarkter Straße führt, ergibt sich dieses bzw. ein ähnliches Ergebnis für die meisten Grundstücke im Oberpfalzviertel. Die Wegersparnis ist damit unter 10% und kaum nennenswert.

Mögliche Lösungen

Die Abbildung zeigt, dass weder die bestehenden Einkaufsmöglichkeiten noch das neu geplante Versorgungszentrum für einen Einkauf zu Fuß geeignet sind; schon gar nicht, wenn man in seiner Bewegung eingeschränkt ist. Um den Altdorfer Osten effizient fußläufig zu versorgen, müssten Einkaufsmöglichkeiten in Bereich der Bayernstraße oder der Rascher Straße geschaffen werden. Hierzu braucht es jedoch geeignete Grundstücke und ggf. eine entsprechende stadtentwicklungstechnische Planung durch die Verwaltung.

Die Bewirtschaftung eines solchen “Dorfladens” - für einen Vollsortierer wird in den Arealen schlicht der Platz fehlen - stellt in der Regel eine Herausforderung dar. Allerdings ist es oft nicht möglich “Dorfläden” langfristig gewinnbringend zu betreiben. Hier müssen moderne und intelligente Ansätze verfolgt werden, wie z.B. eine komunale Beteiligung oder eine Einkaufsgenossenschaft (Beispielprojekt auf der Seite des BMEL). Der Vorteil eines solches Systems ist neben der Bereitstellung einer fußläufigen Einkaufsmöglichkeit, die aktive Unterstützung von lokalen Landwirtschaftsbetrieben und Produzenten.

Eine einfache Alternative stellen mobile Einkaufsmöglichkeiten dar. In Deutschland gibt es zu diesem Thema bereits mehrere Projekte (Artikel von kommunal.de). Der Vorteil einer solchen Lösung ist, dass nicht nur der Altdorf Osten besser versorgt werden kann, sondern auch die kleinen umliegenden Ansiedelungen von Altdorf davon profitieren können. Es gäbe sogar die Möglichkeit, ein solches Angebot kooperierend zwischen verschiedenen Kommunen aufzubauen, da die Versorgung der kleinen exponierten Ansiedelungen nicht nur in Altdorf ein Problem ist.

Eine weitere Möglichkeit zur Verbesserung der Versorgungslage ist ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, vor allem zu üblichen Einkaufszeiten. Hierbei sollte jedoch sowohl ein innerstädtischer ÖPNV als auch die bessere Verbindung der Ortschaften angedacht werden.

Online-Angebote sind hingegen keine Lösung, da:

  • diese zum einen wenig Akzeptanz finden, vor allem bei älteren Bürgern

  • die Logistik im ländlichen Raum oft für die Anbieter zu teuer ist

  • durch den Transport zusätzlicher und unnötiger Verkehr und Verpackungsmaterial ansteht, und dadurch eine unnötige, zusätzliche Umweltbelastung

Fazit

Es zeigt sich also, dass es die Verbesserung der Versorgungslage im Altdorfer Osten wichtig ist. Jedoch ist ein Versorgungszentrum im geplanten Gewerbegebiet an der Neumarkter Straße nicht geeignet diese Situation zu verbessern, und damit nicht wirklich sinnvoll.

Stellungname des Bund Naturschutz zur geplanten Erweiterung der Einkaufsmöglichkeiten

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

zum Vorhaben, das in der Bürgerversammlung am 19.12.2022 vorgestellt und über das am 21.12.2022 im Boten berichtet wurde, möchten wir uns als Ortsgruppe Altdorf/Winkelhaid des BUND Naturschutz in Bayern e. V. wie folgt äußern.
Angesichts der bestehenden Infrastruktur und guten Versorgung mit den bereits vorhandenen Einkaufsmöglichkeiten in Altdorf ist nicht nachvollziehbar, dass in Altdorf ein weiterer Bedarf für noch mehr Discounter oder Supermärkte bestehen soll. Eine Flächenversiegelung für ein neues Versorgungszentrum an der Neumarkter Straße lehnen wir daher ab.

Dem Versorgungszentrum werden alte, erhaltenswerte Obstbäume und die daran gebundene Tierwelt zum Opfer fallen. Und einmal mehr werden auch den verbliebenen Altdorfer Landwirten Flächen verloren gehen. Die Entwicklung von einem Zentimeter fruchtbaren Boden kann 100 bis 300 Jahre dauern. Die Böden, die wir jetzt zubetonieren, können also nicht einfach wiederhergestellt werden, wenn man in ein paar Jahren merkt, dass uns Ackerland und Grünflächen fehlen. Die Ernährungssicherheit in Krisenzeiten garantieren nicht neue Supermarktregale, sondern die Böden, auf denen das wächst, was wir aus den Regalen nehmen. Zudem speichern und filtern versiegelte Böden kaum Wasser, verstärken die Problematik durch Starkregen und Hochwasser, beeinträchtigen die Grundwasserneuausbildung, beeinflussen das Lokalklima nachteilig und binden kaum Feinstaub. Die Vernichtung wertvoller Bäume und Böden muss auf ein Minimum reduziert werden.

Schon lange ist bekannt, dass der Flächenverbrauch in Bayern eingedämmt werden muss. Die Staatsregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Flächenverbrauch auf fünf Hektar zu begrenzen. Wir sind meilenweit davon entfernt, weil der Wert von Fläche und Boden von der bayerischen Lokalpolitik ignoriert wird. Das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) schreibt dazu auf seiner Webseite: „… In Deutschland werden jeden Tag 66 Hektar unbebautes Land in Siedlungs- und Verkehrsflächen umgewandelt. Im Jahr 2017 betrug der Flächenverbrauch allein in Bayern täglich 11,7 Hektar. Damit zählt der Flächenverbrauch zu den bedeutendsten Umweltproblemen im Freistaat.“ https://www.lfu.bayern.de/umweltkommunal/flaechenmanagement/index.htm

Das Vorhaben ist aber auch auf anderen Ebenen problematisch. Neben dem Verlust der natürlichen Bodenfunktionen, dem Verlust fruchtbaren Bodens, alter Bäume, Lebensraum für Pflanzen und Tiere, gibt es weitere Folgen. Es besteht nämlich die Befürchtung, dass sich durch ein weiteres Versorgungszentrum am Ortsrand die kleinen Geschäfte in der Innenstadt, irgendwann nicht mehr halten können. Als indirekte Folge wird das Verkehrsaufkommen erhöht – mit allen negativen Konsequenzen in Form von Luft-, Lärm- und Klimabelastung. Erstrebenswert ist auch aus Gründen des Natur- und Klimaschutzes eine Infrastruktur mit Möglichkeiten für Besorgungen, die fußläufig oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind und eine Nutzung von Automobilen möglichst unnötig machen. Es kostet schließlich auch Lebensqualität, wenn Infrastruktur und Gemeinschaftsleben aus dem Ortskern verschwinden. Es müssen im Innenstadtbereich Einkaufsmöglichkeiten erhalten bleiben, die auch ohne Pkw erreichbar sind. Auch heute schon müssen viele Menschen ohne Pkw auskommen oder möchten freiwillig auf die Nutzung von Pkw-Fahrten verzichten. Daher sollte besser bei den bereits bestehenden Gewerbebetrieben angesetzt werden. Diese können, sofern es überhaupt erforderlich ist, moderner und attraktiver gestaltet werden.

Was auf den ersten Blick vielleicht aus „zeitgemäßes neues Einkaufszentrum“ erscheint, ist in Wirklichkeit völlig aus der Zeit gefallen. Die Entwicklung zu immer mehr Wachstum, zu immer mehr, immer größeren Einkaufszentren am Ortsrand hat ihren Ursprung in veralteten Denkweisen, die die Notwendigkeit des Klimaschutzes und der Produktion von Nahrungsmitteln im eigenen Land bei der langfristigen politischen Planung völlig außer Acht lassen. Klimawandel und kriegerische Konflikte sind doch keine kurzfristigen Phänomene. Jedes Bauvorhaben muss geprüft werden, ob es wirklich NOTWENDIG ist. Falls nicht, muss es fallen gelassen werden, denn unsere Generation hat nicht das Recht, zukünftigen Generationen die Lebensbedingungen immer mehr zu zubauen.

Es ist nachvollziehbar, dass Sie als Bürgermeister die Einnahmen aus Gewerbesteuern im Blick haben müssen. Aber das darf nicht mehr das Hauptaugenmerk sein, denn sonst zerstören wir Bayerns Lebensgrundlagen in einem Wettstreit der Kommunen. Was die Bürger in Zukunft brauchen werden, was in Zukunft wirklich Wert haben wird, sind Natur, Landschaft und Landwirtschaft vor der Haustüre.

Interview mit Miranda Bellchambers vom Bund Naturschutz

Ökologische Aspekte des neuen Baugebiets

  1. Feb. 2023 Verfasst von BI Naturerhalt Altdorfer Osten Interview mit Miranda Bellchambers vom BUND-Naturschutz

Zur Person:
Miranda Bellchambers vom BN

Miranda hat sich in den letzten Wochen aktiv mit dem geplanten Gewerbegebiet an der Neumarkter Straße insbesondere in Bezug auf die ökologischen Aspekte auseinander gesetzt. Sie ist Beisitzerin im Vorstand des BUND Naturschutz Altdorf-Winkelhaid, war 33 Jahre als Key Account Manager in der Automatisierungstechnik und Niederspannungstechnik bei der Siemens AG beschäftigt und ist jetzt beim Jane Goodall Institut in München als Naturschützerin tätig. Bereits 2021 hatte sie eine tragende Rolle, als sie zusammen mit anderen Organisationen den Sandabbau in Röthenbach bei Altdorf verhindert und damit 50 ha Bannwald gerettet hat.
Wir haben Miranda zu Ihrer Einschätzung bzgl. der ökologischen Konsequenzen des Vorhabens interviewt.

Frage: Das geplante Gewerbegebiet an der Neumarkter Straße besteht aktuell vorwiegend aus Agrar- und Grünflächen. Von Seiten des BUND-Naturschutz wurde eine erste einfache Erhebung der Flächen durchgeführt. Zu welchem Ergebnis seid Ihr bei Eurer Erhebung gekommen, was befindet sich auf dem Areal?

MIRANDA:
Der Großteil der Fläche ist Agrarfläche, aber es gibt zwei Obstgärten mit exzellenten Hecken und eine Gehölzfläche neben den Becken*. Wir haben schon einige Vogelbeobachtungen gemacht und Specht, Gartenbaumläufer, Wacholderdrossel usw. beobachten können. Eine umfassendere Vogelkartierung ist erst ab Mai sinnvoll, da einige Arten erst nach der Winterzeit nach Deutschland zurückfliegen. Kritisch ist eine Verbauung um die Gehölzfläche: da schneiden wir schon wieder die Möglichkeiten für Tierbewegungen ab. Eine Übersicht über das Areal ist in Artikel Lage und Größe des geplanten Gewerbegebiets zu finden.

Frage: Die Agrarfläche macht den überwiegenden Anteil aus. Wie schätzt der BUND-Naturschutz diese Flächen ein: sind diese aus ökologischer Sicht relevant für die Umgebung?

MIRANDA:
Jede nicht versiegelte Fläche ist besser als eine bebaute Fläche. Agrarflächen kann man biologisch nutzen. Der Bauernverband erklärte uns gegenüber, dass jede mögliche Fläche für Agraranbau benötigt wird, gerade in kritischen Situationen, wie wir das aktuell im Kontext des Ukrainekriegs erleben.

Frage: Der Bauernverband hat letztes Jahr in einem Positionspapier dringend zur Reduktion des Flächenverbrauchs in Bayern aufgefordert (Link zum Artikel des bayerischen Bauernverbands). Von den bayerischen Ministerien ist das Programm “Flächensparinitiative” aufgesetzt worden. Es wird aufgeführt in dem Infomaterial zu dem Programm “Die Stärkung und Wiederbelebung der Ortskerne und das Flächensparen gehören zu den zentralen Inhalten …”. Altdorf besitzt, laut einer Erhebung von 2015 (Bodenversiegelungsstudie des bayerischen Umweltamts), eine Flächenversiegelung von 45 bis 60% der Fläche, und entspricht damit dem Bayerischen Mittel, besitzt jedoch eine höhere Versiegelung als Nachbarkommunen, wie z.B. Burgthann. Gäbe es eine Möglichkeit, die Agrarflächen bezogen auf den Naturschutz besser oder vielleicht anders zu nutzen?

MIRANDA:
/Wir schlagen einen Grünkorridor vor, mit den Weihern und Obstgärten entlang der Jakob-Baier-Straße bis hin zur Neumarkter Straße. Das kommt auch Schulkindern zu Gute, die immer wieder einen Platz für die Naturkunde vor Ort suchen; es würde auch einen Rückzugsraum für Insekten, Vögel und Amphibien schaffen. Dies wäre für das Ököpunkte-System ein Plus; wir würden die Flächen als Ausgleichsflächen mit Nachpflanzungen aufwerten und eine neue Biotopverbund-Achse schaffen.

Frage: Was zeichnet die Grünflächen in dem Areal aus und sind diese aufgrund ihres eher geringen Anteils nicht vernachlässigbar?

MIRANDA:
Der Bayerischer Streuobstpakt (Link zur Seite des StMUV) wurde erst Oktober 2021 beschlossen und umgesetzt. Streuobstbäume haben höchste Bedeutung für die Kulturlandschaft und Biodiversität Bayerns. Weiterhin soll der derzeitige Streuobstbestand in Bayern erhalten werden und darüber hinaus zusätzlich eine Million Streuobstbäume neu gepflanzt werden. Um dieses Ziel bis zum Jahr 2035 zu erreichen, wurde ein Maßnahmen-Konzept im Juli 2021 beschlossen und 600 Millionen Euro fest eingeplant. Streuobstbestände gehören mit ca. 5.000 Tier- und Pflanzenarten zu den artenreichsten Lebensräumen in Mitteleuropa. Mit vielen seltenen und gefährdeten Arten sind sie Hotspots der Biodiversität und deswegen in der Bayerischen Kompensationsverordnung mit bis zu 5mal so vielen Punkten als Ackerflächen zu bewerten.
Dazu kommt, dass Insekten oft nur einen Radius von 100-200m haben, innerhalb von diesem müssen sie eine nächste passende Lebensfläche finden: Biotopverbund, Trittsteine usw. Zudem sollte es allen inzwischen aufgefallen sein, wie unsere Hecken in den letzten Jahren dezimiert wurden: sogar der Hausspatz ist jetzt auf der Rote Liste!

Frage: Warum sind gerade die Hecken und nicht agrartechnisch genutzten Grünflächen so wichtig für die Flora und Fauna?

MIRANDA:
Gehölze bieten Überwinterungsplätze und ganzjährig Nahrung, Hecken sind Leitlinien, bieten Schutz vor Beutegreifern und ermöglichen Vernetzung im Biotopverbund; Grenzen zwischen Lebensräumen gelten als sehr artenreich, da sie ganz vielen Tieren Lebensgrundlage sind (Wald-Offenland, Wiese-Acker, Hecke – Wiese…).

Frage: Es ist angekündigt worden, dass im Zuge des geplanten Gewerbegebiets ein Sicht- und Lärmschutzwall mit Begrünung und Bäumen errichtet und für die gefällten Bäume ein Ausgleich geschaffen werden soll. So gesehen würde der Baumbestand wahrscheinlich ansteigen, wäre dies dann nicht eine Verbesserung?

MIRANDA:
Für einen gefällten großen Baum (Buche) müsste man etwa 1.500 kleine Bäume pflanzen, um die gleiche Klimawirksamkeit zu erreichen. Das- selbe gilt für die Artenvielfalt, die mit dem Alter der Gehölze massiv ansteigt (verschiedenste Kleinbiotope durch klimatische Unterschiede zwischen Krone, Unterholz, Rinde, Höhlen, …) Wenn wir wieder so einen Sommer wie 2022 haben, wo es praktisch 12 Wochen nicht geregnet hat, wird es immer schwieriger, Neupflanzungen durchzubringen. In 2022 haben wir öfters erlebt, dass die Städte gar nicht mit dem Gießen nachkamen und z.T. ganze Flächen mit Neupflanzungen nicht gegossen werden konnten.

Frage: Wie ist die betroffene Fläche im Gesamtkontext von Altdorf zu sehen und welche Kompensation durch Ausgleichsflächen ist möglich?

MIRANDA:
Wir bauen gerade sehr, sehr viel in Altdorf: Gewerbegebiet in der Hersbrucker Straße (ca. 5 ha), Gewerbegebiet in der Nürnberger Straße (ca. 6 ha), Gewerbegebiet an der A6 (20 ha), Gewerbegebiet in der Fritz- Bauer-Straße, Industriestraße und Jakob-Baier-Straße (ca. 11 ha), Gewerbegebiet nahe Waldfriedhof (ca. 8 ha). Dazu kommt der Straßenausbau Altdorf-Winn plus Pendler-Parkplatz (über 3 ha), die Erweiterung des Wertstoffhofes in der Neumarkter Straße (ca. 3 ha), usw. All dies bedeutet, dass der Ausgleich knapp wird und irgendwann nur noch in größerer Entfernung realisiert werden kann oder viele Ackerflächen dafür aufgegeben werden müssen.

Frage: Wie steht der BUND-Naturschutz generell zu der Planung des Gewerbegebiets, da wir bisher nur den Verlust der Flächen diskutiert haben. Wie sind die anderen Konsequenzen und resultierten Effekte (Flächenversiegelung, Abwasser, Lärm, Licht, Verkehr, etc.) aus ökologischer Sicht zu beurteilen?

MIRANDA:
Grundsätzlich wollen wir, dass Menschen wohnortnah mit dem Rad einkaufen können, aber ein Laden so weit außerhalb ermöglicht genau das nicht, sondern erzeugt unnötigen Verkehr. Flächenversiegelung muss null werden! Nur Lärm ist in diesem Umfang ein geringes Problem für die Natur. Lichtverschmutzung allerdings muss konsequent vermieden werden, da es große ökologische Folgen für Insekten und Fledermäusen hat.

Frage: In Stadtratssitzungen, Presseartikeln und bei der Bürgerversammlung wurde immer wieder darauf verwiesen, dass das Areal nach höchsten ökologischen Standards errichtet werden soll. Welchen ausgleichenden oder positiven Einfluss können diese Maßnahmen im Vergleich zum Verlust der Agrar- und Grünflache und den resultierenden Randeffekten eigentlich entwickeln?

MIRANDA:
Jede Bebauung könnte – in Bezug auf den Flächenverbrauch - nur durch eine Entsiegelung gleicher Größenordnung wirklich ausgeglichen werden. Die angepriesenen ökologischen Standards sind sowieso Pflicht -siehe Energieeinsparverordnung - weil es ohne dieses Gesetz gar keine Verbesserungen gegeben hätte. Der BN begrüßt technologische Fortschritte (PV, Niedrig-Energie-Gebäude, Smart Gebäude), um die Auswirkungen auf das Klima zu reduzieren. Positiver Einfluss wäre, wenn andere Gebäude sich dann auch ökologisch umrüsten, aber Abriss und Neubau ist energetisch furchtbar. In Altdorf gibt es doch genug Gewerbegebiete und die verfügbaren Flächen werden nicht einmal gefüllt. Und dass ausgerechnet für Discounter und Parkplätze so eine Fläche geopfert werden soll, ist heutzutage inakzeptabel.

Vielen Dank, Miranda, für das Gespräch!

Ortsbegehung mit FW/UNA am 11. März 2023

Am letzten Samstag luden die Mitglieder der Stadtratsfraktion der FW/UNA zu einer Ortsbegehung ein. Trotz der Kälte waren zahlreiche Bürger und auch Vertreter unserer Bürgerinitiative dabei, um uns vor Ort ein Bild zu machen und zahlreiche Fragen und Bedenken zu diskutieren.

Insgesamt stimmte uns dieses Treffen überaus positiv, denn von allen Stadtratsmitgliedern wurde immer wieder betont, dass - egal was mit dem Gelände passieren soll - hier die Bürger die finale Entscheidungsgewalt haben werden. Zudem bekundete Herr Thomas Dietz, 3. Bürgermeister und Fraktionsvorsitzender, mehrmals das Interesse an einer gemeinschaftlichen Ausarbeitung der Fragestellung, die im Bürgerentscheid am 8. Oktober gestellt werden soll. Diese Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern der Stadtratsfraktionen, des Bund-Naturschutz wie auch der Bürgerinitiative sollte sich nach seiner Einschätzung möglichst bald treffen, um eine passende Fragestellung zu finden.

Die Ortsbegehung begann am Stadtbauhof und führte über die Landwirtschafts- und Wanderwege einmal um das Gebiet herum. Ausgenommen war der westlich des bestehenden Betonwerks/Bauhof gelegene Teil. Dieser Teil wurde nur wage durch entsprechende Handzeichen beschrieben. Immer wieder nahmen sich Herr Dietz und Herr Dr. Wack, die an diesem Termin Rede und Antwort standen, die Zeit für zahlreiche Fragen der Bürger.

Diese machten sich insbesondere Sorgen um eine erneute zusätzliche Versiegelung, um Licht- und Lärmverschmutzung und über das Verkehrsaufkommen. Auch das Thema Stromversorgung sorgte für Diskussionen.

Herr Dietz betonte hingegen die Notwendigkeit der Einnahmen genauso wie den Wunsch, örtlichen Gewerbetreibenden und Handwerkern einen neuen Standort innerhalb von Altdorf bieten zu können. “Als Stadt müssen wir auch Betriebe in Altdorf (er)halten!”, so lautet auch das Statement der kürzlich erschienen Pressemitteilung. In dieser wird auch noch einmal klar gestellt, dass die Pläne eines “Nahversorgungszentrums” noch nicht sicher sind und zunächst einer Genehmigung der Regierung von Mittelfranken benötigen.

Die Runde ging weiter in Richtung des Ost-Teils des Gebiets. Dieser Teil liegt direkt am und teilweise sogar auf den genutzten Flächen des Altdorfer Reitvereins. Hier betonte Herr Dietz, dass diese Flächen auf jeden Fall für eine kurz- und mittelfristige Planung nicht in Anspruch genommen werden sollen – verschwieg aber, dass das aufgrund eines Pachtvertrags bis 2030 auch gar nicht möglich ist. Auch betonte er den hohen ökologischen Wert des gesamten Ost-Teils. Zahlreiche schützenswerte Bäume und Hecken befinden sich auf dem Gelände und sollen nach Ansicht der FW/UNA auch in zukünftigen Planungen unberührt bleiben.

Wir möchten uns für dieses Treffen im Namen aller Bürger bei der Fraktion der FW/UNA bedanken und freuen uns, schon bald eine mögliche Fragestellung gemeinschaftlich auszuarbeiten.

Verfasst von Reinhard Feustel